KOGNITIONSPSYCHOLOGIE:Wenn Gerüche die Erinnerung beflügeln

In stressreichen Lernsituationen können Düfte die Fokussierung auf zentrale Inhalte stärken

Stress beeinflusst die Lern- und Gedächtnisprozesse des Menschen. Gleichzeitig sind Gerüche wirkungsvolle Kontextreize, die das spätere Abrufen von Erinnerungen erleichtern. Um besser verstehen zu können wie das komplexe Wechselspiel beim Lernen funktioniert, forschen Neurowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler an der Ruhr-Universitär Bochum mit verschiedenen Gerüchen und untersuchen dabei ihren Einfluss auf das Gedächtnis beim Lernen unter Stress. Dr. Anika Pützer und Prof. Dr. Oliver T. Wolf fanden nun heraus, dass die Erinnerungsleistung einerseits wesentlich vom subjektiv erlebten Stress aber gleichzeitig auch von der inhaltlichen Verbindung zwischen Duftstoffen und Gelerntem abhängt. Die Ergebnisse der Forscher wurden am 20. Juli 2021 in der Fachzeitschrift Acta Psychologica veröffentlicht.

Relevante Informationen schnell erfassen und diese später erinnern

Menschen erinnern sich besser an Informationen, wenn sie sie im gleichen Kontext abrufen, in dem sie sie auch gelernt haben. Auch wenn nur bestimmte Aspekte des Kontextes beim Lernen und Gedächtnisabruf gleich sind – beispielsweise ein charakteristischer Duft, als ein spezifischer Kontextreiz – kann dies Auswirkungen auf die Gedächtnisleistung haben.
Dem Bochumer Forscherduo gelang es nun näher zu bestimmen, unter welchen Bedingungen ein Duft zum wirksamen Kontextreiz wird. In ihrer Studie untersuchten die Wissenschaftler die Lernleistung von insgesamt 120 Probandinnen unter Stress- und Dufteinwirkung.

Wir haben für diese Studie eine rein weibliche Stichprobe gewählt, da in einer Metaanalyse Geschlechtsunterschiede im menschlichen Geruchssinn herausgestellt wurden. Frauen besitzen demnach ein messbar besseres Geruchsempfinden als Männer.

Dr. Anika Pützer, Erstautorin der Studie

Und weiter: „Bei unserer Untersuchung haben wir uns auf zwei Fragen konzentriert: die Auswirkung von subjektiv erlebtem Stress beim Lernen auf den Lernerfolg sowie die Frage, ob Duft inhaltlich mit Gelerntem in Verbindung stehen muss, um die Erinnerungsleistung zu verbessern.“

Inhaltliche Verbindung zwischen Gelerntem und Duft wesentlich

Die Probandinnen bewerteten während des Tests somit einerseits ihren subjektiven Stress, der durch das Betrachten eines Videos ausgelöst wurde, und durchliefen zudem 24 Stunden später zwei weitere Tests, die sich auf die im Video gezeigten Objekte bezogen. Der Fokus hierbei lag auf dem Wiedererkennungs- und dem räumlichen Gedächtnis. Während des Lernens und Erinnerns wurden unterschiedliche Geruchsstoffe in der Versuchskammer versprüht.

Die beobachtbaren Ergebnisse zeigten im Wesentlichen zwei Facetten auf und stützten die Hypothesen des Forscherduos.

Die Erinnerungsleistung unserer Probandinnen war einerseits abhängig vom subjektiv erlebten Stress beim Lernen. Zudem war für den Lernerfolg die inhaltliche Verbindung zwischen Gelerntem und Duft wesentlich.

Prof. Dr. Oliver T. Wolf

Und Anika Pützer erläutert weiter: „Wir verglichen in unserer Studie einen Wildkirsch-Duft, der inhaltlich keine Verbindung mit dem Video hatte, und Pfefferminz-Duft, der mit dem Pfefferminztee im Video in unmittelbarem Zusammenhang stand.“

Das Team arbeitete Folgendes heraus: Je stärker sich eine Versuchsperson in der Pfefferminz-Inszenierung subjektiv gestresst fühlte, desto mehr fokussierte sie sich auf diejenigen Inhalte, die in der Lernsituation zentral waren. Oliver T. Wolf: „Eine solche Fokussierung erscheint für den Menschen hilfreich, da er in Stresssituationen schnell in der Lage sein muss, relevante Informationen zu erfassen und diese später zu erinnern.“