Neuropsychologie:Wie das Gehirn Alterserscheinungen ausbremst

Je älter wir sind, desto schwerer fällt es uns, die Welt um uns herum zu sortieren. Das Gehirn entwickelt jedoch erstaunliche Strategien, um dem Alterungsprozess entgegenzuwirken.

Gehirnwellen und Blickrichtung geben Auskunft

Um die Fülle an Informationen verarbeiten zu können, die jeden Tag auf uns einströmt, bilden Menschen Kategorien. In diese sortieren wir alles, was die Welt um uns herum ausmacht. Die Art und Weise, wie wir das tun, ändert sich allerdings im Laufe des Lebens. Das fanden Neuropsychologen der Ruhr-Universität Bochum (RUB) heraus. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie im Journal Neuropsychologia

Das Team um Sabrina Schenk und Prof. Dr. Boris Suchan beobachtete jüngere und ältere Menschen bei einer Sortieraufgabe. Die Versuchspersonen mussten Kreise mit verschiedenen Farbkombinationen einer von zwei Kategorien zuordnen. Einige der Kreise waren sich sehr ähnlich; andere hingegen waren individuell. Welcher Kategorie ein jeweiliger Kreis zugeordnet werden muss, lernten die Probanden durch eine Rückmeldung während des Tests.

Die Wissenschaftler zeichneten nicht nur die Antworten der Teilnehmer auf, sondern über ein EEG auch die Gehirnwellen und über einen „Eye Tracker“ die Blickrichtung. Das Ergebnis: Sowohl jüngere als auch ältere Probanden hatten keine Schwierigkeiten, die sich ähnelnden Kreise in eine Kategorie zu stecken – die Lernprozesse beider Gruppen ähnelten sich. Als sie im späteren Verlauf des Tests jedoch die weniger eindeutigen Exemplare kategorisieren mussten, gab es Unterschiede. Die Einordnung fiel den älteren Versuchspersonen deutlich schwerer.

Gehirn kompensiert mit Aufmerksamkeit

„Es gibt zwei Strategien, wie man einzelne Objekte einer Kategorie zuordnen kann. Während wir ähnliche Mitglieder einer Kategorie ganzheitlich wahrnehmen, müssen wir Ausnahmen gesondert lernen und uns genau einprägen“, erklärt Sabrina Schenk. „Älteren Menschen fällt es schwerer, von einer Strategie zu der anderen zu wechseln.“ Die Messungen der Gehirnwellen zeigten aber auch, dass ältere Menschen daraufhin eine höhere selektive Aufmerksamkeit entwickeln. Einfach gesagt: Sie schauen genauer und aufmerksamer auf die Details als jüngere Menschen. Das bestätigen auch die Daten des Eye Trackers, der die Blickrichtung der Probanden aufzeichnete. „Die Nachteile des Alterungsprozesses kann das Gehirn also bis zu einem gewissen Grad durch erhöhte Aufmerksamkeit ausgleichen“, so Sabrina Schenk.

Weitere Studien mit Computerspielern

Eine Computersimulation an der kanadischen University of Western Ontario bestätigte die Ergebnisse der Bochumer Wissenschaftler. In einem nächsten Schritt möchte das Team der RUB untersuchen, wie Menschen abschneiden, deren Aufmerksamkeit besonders gut trainiert ist. Dazu wollen sie Computerspieler testen. Wenn die Gamer besonders gut sind, lässt sich daraus vielleicht ableiten, wie ältere Menschen gezielt ihre Aufmerksamkeit trainieren könnten.

Kontakt:

Prof. Dr. Boris Suchan
Arbeitsgruppe Klinische Neuropsychologie
Institut für Kognitive Neurowissenschaft
Fakultät für Psychologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel: 0234 32 27575
E-Mail: boris.suchan@rub.de