SCHMERZFORSCHUNG:Wenn der Kopf aus dem Gleichgewicht gerät

Wissenschaftler untersuchen mögliche Ursachen von posttraumatischen Kopfschmerzen

Posttraumatischer Kopfschmerz (PTH) ist die häufigste Komplikation nach einem Schädel-Hirn-Trauma (SHT). Mit einer Übersichtsarbeit hat ein Bochumer Forschungsteam nun den aktuellen Wissensstand über die sensorische Funktionsstörung bei Patienten mit PTH zusammengefasst. Es gelang insbesondere, die Bedeutung einer zentral bedingten Schmerzüberempfindlichkeit sowie die Rolle schmerzmodulierender Systeme für den Entstehungsmechanismus posttraumatischer Kopfschmerzen weiter zu diskutieren. Finale Schlussfolgerungen waren aufgrund der spärlichen Datenlage indes nur eingeschränkt möglich. Die Ergebnisse veröffentlichten die Forschenden um die DGUV-Stiftungsprofessorin Prof. Dr. Elena Enax-Krumova, Neurologische Universitätsklinik und Poliklinik des Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikums Bergmannsheil, am 18. August 2021 in der renommierten Zeitschrift „Cephalalgia“.

Kopfschmerz beeinträchtigt Lebensqualität in hohem Maße

Treten Kopfschmerzen zum ersten Mal und in engem zeitlichem Zusammenhang mit einem Schädel-Hirn-Trauma mit Verletzung schmerzrelevanter Strukturen auf, klassifiziert man diese als „posttraumatische Kopfschmerzen“.

Sie unterscheiden sich von anderen Kopfschmerzarten, betreffen häufig junge Patientinnen und Patienten im erwerbsfähigen Alter, zum Beispiel nach Arbeits- oder Verkehrsunfällen, und können ihre Lebensqualität in hohem Maße beeinträchtigen. Die Patienten beschreiben den Schmerz manchmal ähnlich wie eine Migräne oder Spannungskopfschmerzen und beklagen zudem oft Angstzustände, depressive Symptome sowie kognitive Fehlfunktionen.

Die Behandlungsmöglichkeiten des posttraumatischen Kopfschmerzes sind aufgrund der unzureichenden Forschungslage derzeit eingeschränkt.

Julia Jessen

Und die Erstautorin, die aktuell ihre Promotionsarbeit zu diesem Thema im Rahmen des SFB 874 an der Neurologischen Universitätsklinik und Poliklinik des Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikums Bergmannsheil durchführt, erläutert weiter: „Meist kommen Medikamente für primäre Kopfschmerzerkrankungen zum Einsatz, die aber beim PTH wenig effektiv sind.“

Für ihre Übersichtsarbeit durchsuchten die Bochumer Neurowissenschaftlerinnnen und Neurowissenschaftler die Datenbank PubMed gezielt nach Studien zu den Themen „Schmerzmodulation“ sowie „Quantitative sensorische Testung“ bei Personen mit „posttraumatischen Kopfschmerzen nach Schädel-Hirn-Trauma“.

Gesteigertes Verständnis für Pathophysiologie chronischer Schmerzen

Die Auswertung des Forschungsteams zeigte, dass die Patientinnen und Patienten heterogene Veränderungen in sensorischen Profilen (insbesondere in der Schmerzwahrnehmung von Hitze und Druckreizen) sowie eine verminderte körpereigene Schmerzhemmung auswiesen.

Der gewonnene Überblick verbessert das Verständnis der Pathophysiologie chronischer Schmerzen nach einem Schädel-Hirn-Trauma und stellt einen wichtigen Schritt zur Identifizierung spezifischer Behandlungsmöglichkeiten dar.

Prof. Dr. Elena Enax-Krumova

Einschränkend gaben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an, dass lediglich sechs Artikel für die Analyse herangezogen werden konnten und daher abschließend kein eindeutiges sensorisches Muster für Patientinnen und Patienten mit posttraumatischem Kopfschmerz identifiziert werden konnte. Eine gestörte körpereigene Schmerzhemmung scheint jedoch eine Rolle zu spielen, wobei allerdings noch unklar bleibt, ob diese infolge der chronischen Schmerzen resultiert oder als Risikofaktor für deren Entstehung zu sehen ist.

„Weitere Forschung – insbesondere Längsschnittstudien, die verschiedenen Zeitpunkte nach dem Trauma untersuchen und die Probanden nach bereits bekannten Risikofaktoren kategorisieren – sind notwendig“, beschreibt Julia Jessen das Fazit der Arbeit. Nur so sei es möglich, die zugrundeliegenden Mechanismen und Biomarker für die Vorhersage der Entwicklung und Persistenz der Schmerzen weiter zu klären.

Kontakt:
Prof. Dr. Elena Enax-Krumova
Neurologische Universitätsklinik
BG Universitätsklinikum Bergmannsheil gGmbH
Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum
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Fax: +49 – (0)234 – 302 – 6888
E-Mail: elena.krumova@ruhr-uni-bochum.de