Gedächtnis ist erfahrungsabhängig:Wachstumsprotein unterstützt synaptische Plastizität

Studie untersucht chemische Grundlagen des Lernens

Ein Team von Neurowissenschaftlern an der Ruhr-Universität Bochum hat die chemischen Grundlagen von Lernprozessen im Gehirn untersucht. In ihrer Forschung haben sie den Einfluss des Nervenwachstumsproteins brain-derived neurotrophic factor (BDNF) auf Informationsspeicherung und Gedächtnis im Hippocampus näher betrachtet. Sie fanden heraus, dass das Protein für einige, aber nicht alle Formen von Lernen eine Rolle spielt. Ihre Ergebnisse wurden im Journal „Hippocampus“ veröffentlicht.

Einfluss von BDNF auf synaptische Plastizität

Der sogenannte brain-derived neurotrophic factor (BDNF)ist ein Protein, das auf Neuronen des peripheren und zentralen Nervensystems wirkt. Im Gehirn ist es für das Überleben und das Wachstum von Nervenzellen und Synapsen zuständig. Dabei ist das Wachstumsprotein besonders im Hippocampus aktiv, ein Bereich, der für Lernen und Gedächtnis von großer Bedeutung ist. Die Forschergruppe um Prof. Dr. Denise Manahan-Vaughan und Prof. Dr. Stefan Herlitze hat nun zum ersten Mal in vivo untersucht, welchen Einfluss BDNF auf die Verstärkung und Abschwächung synaptischer Verbindungen im Hippocampus hat. Neurowissenschaftler sprechen hierbei von synaptischer Plastizität und bezeichnen damit die Fähigkeit des Gehirns, in Abhängigkeit von der Nutzung, seine Verbindungen zu verstärken oder abzuschwächen. Diese Plastizität ist unabdingbar für Lernprozesse und Gedächtnisleistung.

Intensive Erfahrungen werden ohne Wachstumsfaktor gespeichert

In ihrer Studie untersuchten die Forscher, wie Lernen und Erinnern mit dem Protein BDNF zusammenhängt. Dabei entdeckten sie, dass das Wachstumsprotein nur für bestimmte Formen von Gedächtnis benötigt wird. „Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass es von der Art der Erfahrung abhängt, ob das Protein an synaptischer Plastizität beteiligt ist. Besonders einprägsame, intensive Erfahrungen benötigen kein BDNF, um als Erinnerung abgespeichert zu werden,“ erläutert Doktorandin Janna Aarse. „Bei weniger intensiven Erfahrungen wird BDNF jedoch zwingend benötigt, um die Informationsspeicherung durch eine Feinabstimmung im synaptischen Netzwerk zu ermöglichen.“

SFB 874 erforscht sensorische Verarbeitung

Mit ihren Ergebnissen kann das Forscherteam zu einem erweiterten Verständnis über die Mechanismen von Lernen und Gedächtnis im Hippocampus beitragen. Ihre Studie entstand im Rahmen des Sonderforschungsbereiches 874 „Integration und Repräsentation sensorischer Prozesse“, der sich mit der Frage beschäftigt, wie Sinneseindrücke zu komplexem Verhalten und Gedächtnis verarbeitet werden. Die Arbeit des Forscherverbundes an der Ruhr-Universität Bochum wird seit 2010 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.