Intelligenzforschung:Tierisch schlau

Was die Anzahl der Neurone über kognitive Fähigkeiten aussagt

Sind Tiere mit einer hohen Anzahl an Nervenzellen im Gehirn automatisch intelligenter? Professor Onur Güntürkün von der Ruhr-Universität Bochum will es genau wissen und schickt drei Spezies in ein neuronales Kräftemessen. Wer ist am klügsten: Affe, Rabe oder doch die Taube?

Gefiederte Affen

Bislang waren Menschenaffen die unangefochtenen Spitzenreiter auf der Intelligenzskala der Tiere. Begründet wurde das lange mit der Größe ihrer Gehirne, die bei Menschenaffen sowohl absolut, als auch proportional zu ihrem Körpergewicht sehr groß ist. Vögel hingegen haben sehr kleine Gehirne, was zunächst vermuten lässt, dass sie weniger intelligent sind. Neuere Methoden erlauben jedoch, nicht nur die Größe von verschiedenen Gehirnen zu vergleichen, sondern auch die Anzahl der Nervenzellen. Diese Vergleiche zeigen, dass gerade bei Papageien und Rabenvögeln die neuronale Dichte im Gehirn viel größer ist, als bei Primaten. Sie haben also vergleichsweise viele Neuronen in ihren kleinen Gehirnen. Hinzu kommt, dass sie in aktuellen Untersuchungen zu kognitiven Prozessen genauso gut abschneiden, wie unsere nächsten Verwandten, was ihnen den Beinamen „gefiederte Affen“ einbrachte.

Das Forscherteam um den Biopsychologen Onur Güntürkün stellt nun die Frage, ob die Anzahl der Nervenzellen im Gehirn ein guter Vergleichswert ist, um die kognitiven Fähigkeiten von Tieren vorauszusagen. Um diese Frage zu beantworten, verglichen sie verschiedene Kognitionstest, die sowohl an Rabenvögeln, als auch an Menschenaffen durchgeführt wurden. Außerdem bezogen sie auch Studien mit Tauben ein, die eine deutlich geringe Anzahl an Neuronen besitzen und demnach weniger gut in den Tests abschneiden müssten, als die beiden anderen Spezies. Die Ergebnisse dieses Vergleichs veröffentlichten die Wissenschaftler in dem Fachmagazin „Current Opinion in Behavioral Sciences“.

Überraschendes Ergebnis

In ihrer Übersichtsarbeit werteten die Forscher Studien zu fünf verschiedenen Kognitionsanforderungen aus: Kurzzeitgedächtnis, Objektpermanenz, abstraktes Zahlenverständnis, orthographische Verarbeitung und die Fähigkeit sich selbst zu erkennen. Dabei schnitten Menschenaffen und Rabenvögel gleich gut ab, obwohl die Vögel deutlich weniger Neuronen haben als die Affen. Besonders überraschend war aber die Leistung der Tauben. In drei von fünf Tests konnten sie sich mit den andern beiden Tierarten messen. Lediglich die Fähigkeit sich selbst im Spiegel zu erkennen und die Objektpermanenz, also das wissen, dass ein Gegenstand nicht aufhört zu existieren nur weil er versteckt wurde, konnte bei Tauben nicht im gleichen Maße nachgewiesen werden. Weil Tauben unter den getesteten Tieren mit Abstand die geringste Anzahl an Nervenzellen im Gehirn haben, ist ihr gutes Abschneiden besonders interessant. Es bedeutet, dass die neuronale Anzahl nicht das einzige Kriterium für die Intelligenzleistung von Tieren sein kann. „Unsere Arbeit zeigt, dass die Art, wie wir kognitive Fähigkeiten vergleichen manchmal die falsche ist.“, erklärt Professor Güntürkün. „Es sollte nicht nur darauf ankommen, ob ein Tier einen Test meistern, sondern auch in welcher Zeit es das schafft“, so der Forscher. Dabei unterscheiden sich dann auch Tauben und Raben wieder: Während Tauben zwar in der Lage sind, dieselben Intelligenzaufgaben zu lösen wie Raben, brauchen sie doch deutlich mehr Zeit dazu. Außerdem sind sie nicht so flexibel darin, das Gelernte in einer neuen Situation anzuwenden, wie die gefiederten Affen. Die Anzahl an Nervenzellen im Gehirn könne also keine direkte Aussage über die Intelligenz von Tieren ermöglichen. Sie sei aber ein Faktor, der die Lernfähigkeit und die kognitive Flexibilität eines Lebewesens beeinflusst, schließen die Autoren aus ihrer Arbeit.