Sinneswahrnehmung: Wie das Riechhirn das Gedächtnis beeinflusst

Nichts weckt so unmittelbar Erinnerungen wie Gerüche. Warum sie für das Gedächtnis eine Sonderrolle spielen, haben zwei Neurowissenschaftlerinnen untersucht.

Wie sich Sinneswahrnehmungen im Gehirn auf Lern- und Gedächtnisprozesse auswirken, ist noch lange nicht abschließend geklärt. Einen neuen Aspekt dessen, wie Gerüche das Abspeichern von Erinnerungen beeinflussen, haben Neurowissenschaftlerinnen der Ruhr-Universität Bochum (RUB) entdeckt. Ihre Arbeit zeigt, dass der piriforme Kortex – ein Teil des Riechhirns – direkten Einfluss auf die Informationsspeicherung in unserer wichtigsten Gedächtnisstruktur, dem Hippocampus, nimmt. Dr. Christina Strauch und Prof. Dr. Denise Manahan-Vaughan berichten darüber in der Online-Ausgabe der Zeitschrift Cerebral Cortex vom 9. April 2019.

Elektrische Impulse simulieren Gerüche

Um herauszufinden, wie Gerüche auf die Gedächtnisbildung wirken, lösten die Forscherinnen eine künstliche Geruchswahrnehmung im Gehirn von Ratten aus. Dazu stimulierten sie deren piriformen Kortex mit elektrischen Impulsen. „Wir waren sehr überrascht zu sehen, dass der Hippocampus direkt auf die Stimulation des piriformen Kortex reagierte“, sagt Christina Strauch.

Der Hippocampus nutzt Sinnesreize um darauf komplexe Gedächtnisse zu erstellen. Grundlage dieser Prozesse ist die Fähigkeit des Gehirns, die Leistungsfähigkeit der Signalübertragung zwischen den Synapsen zu erhöhen und dadurch Gedächtnisinhalte zu speichern. Man nennt diesen Effekt die synaptische Plastizität. Manahan-Vaughan und Strauch konnten als erste zeigen, dass Stimulation im anterioren piriformen Kortex zu synaptischer Plastizität im Hippocampus führt.

Besondere Rolle des Geruchssinns

In einem zweiten Schritt untersuchten die Forscher, inwieweit der piriforme Kortex mit einer anderen Hirnstruktur – dem entorhinalen Kortex – um die synaptische Plastizität im Hippocampus konkurriert. Diese Struktur sendet Informationen über die Aktivität in allen sensorischen Modalitäten an den Hippocampus. Die Aktivierung des afferenten Weges – also zum Hippocampus führenden Weges – dieser Struktur, der so genannte Tractus perforans, löste im Hippocampus völlig andere Reaktionsmuster aus als jene, die durch den piriformen Kortex erzeugt wurden. „Die Studie liefert uns eine theoretische Grundlage dafür zu verstehen, wieso der Geruchssinn eine so besondere Rolle bei der Bildung und dem Abruf von Erinnerungen spielt“, so Denise Manahan-Vaughan. Die beiden Wissenschaftlerinnen untersuchen schon seit 2010 gemeinsam, wie aus Gerüchen Erinnerungen entstehen.