Rythmusgefühl:Wie Schlagzeugspielen das Gehirn verändert
Das jahrelange Spielen des Instruments hinterlässt deutliche Spuren.
Menschen, die jahrelang regelmäßig Schlagzeug spielen, unterscheiden sich in Hirnstruktur und -aktivität von unmusikalischen Menschen. Die Ergebnisse einer neuen Studie von Bochumer Forschern deuten darauf hin, dass Schlagzeuger weniger, aber dafür dickere Fasern im Hauptverbindungstrakt zwischen den beiden Hirnhälften besitzen. Außerdem sind ihre motorischen Hirnareale effizienter organisiert. Zu diesem Schluss kommt ein Forschungsteam um Dr. Lara Schlaffke vom Universitätsklinikum Bergmannsheil in Bochum und Privatdozent Dr. Sebastian Ocklenburg von der Arbeitseinheit Biopsychologie der Ruhr-Universität Bochum nach einer Studie mit der Magnetresonanztomografie (MRT). Die Ergebnisse sind in der Zeitschrift Brain and Behavior veröffentlicht, online seit dem 4. Dezember 2019.
Schlagzeuger zuvor noch nie untersucht
„Dass das Spielen eines Musikinstruments das Gehirn über
neuroplastische Prozesse verändern kann, ist seit Langem bekannt“, sagt
Sarah Friedrich, die ihre Bachelorarbeit über dieses Projekt
geschrieben hat. „Aber speziell mit Schlagzeugern hatte sich zuvor
niemand beschäftigt“, ergänzt die Studentin.
Die Bochumer
Forscherinnen und Forscher interessierten sich für diese Gruppe, weil
ihre motorische Koordination die von untrainierten Menschen weit
übertrifft. „Die meisten Menschen können feinmotorische Aufgaben nur mit
einer Hand ausführen und haben Probleme, mit beiden Händen gleichzeitig
unterschiedliche Rhythmen zu spielen“, erklärt Lara Schlaffke.
„Schlagzeuger können Dinge, die für untrainierte Menschen unmöglich
sind.“
Erst Schlagzeug spielen, dann Hirnscans
Welche Veränderungen im Gehirn dieses Training mit sich bringt, wollte das Team herausfinden und somit neue Erkenntnisse über die Organisation komplexer motorischer Prozesse im Gehirn erlangen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler testeten 20 professionelle Schlagzeuger, die ihr Instrument durchschnittlich seit 17 Jahren spielten und aktuell mehr als zehn Stunden pro Woche übten. Sie untersuchten sie mit verschiedenen MRT-Bildgebungstechniken, die Einblicke in Struktur und Funktion des Gehirns erlauben. Die Daten verglichen sie mit Messungen von 24 unmusikalischen Kontrollprobanden. Beide Gruppen mussten zunächst Schlagzeug spielen, um ihre Fähigkeiten zu testen, und wurden dann im MRT-Scanner untersucht.
Effizientere motorische Verarbeitung
Schlagzeuger zeigten deutliche Unterschiede im vorderen
Teil des Corpus Callosums, einer Hirnstruktur, die die beiden
Hemisphären miteinander verbindet und deren vorderer Teil für die
Planung der Motorik verantwortlich ist. Die Daten deuteten darauf hin,
dass die Schlagzeuger weniger, aber dickere Fasern in diesem wichtigen
Verbindungstrakt zwischen den Hirnhälften haben. Dadurch können die
Musiker Informationen schneller zwischen den Hirnhälften austauschen als
die Kontrollpersonen. Die Struktur des Corpus Callosums sagte auch die
Leistung beim Schlagzeug-Test voraus: Je höher das Maß für die Dicke der
Fasern im Corpus Callosum war, desto besser waren die Fähigkeiten beim
Schlagzeugspielen.
Außerdem war das Gehirn von Schlagzeugern bei motorischen
Aufgaben weniger aktiv als das der Kontrollprobanden. Dieses Phänomen
wird als Sparse Sampling bezeichnet: Eine effizientere Hirnorganisation
in den Arealen sorgt für weniger Aktivierung bei Profis.
Ältere Probanden für neue Studie gesucht
Wir möchten uns bei allen Teilnehmern bedanken, die hoch motiviert bei der Studie mitgemacht haben. Wir hatten sehr viel Spaß bei der gemeinsamen Arbeit.
Lara Schlaffke
Das Forschungsteam hat bereits ein Nachfolgeprojekt gestartet, um herauszufinden, wie sich besonders lange Erfahrung beim Schlagzeugspielen auf das Gehirn auswirkt. Dazu suchen die Neurowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler derzeit Schlagzeuger und Nicht-Musiker im Alter zwischen 45 und 70 Jahren. Interessenten können sich per E-Mail melden.
Kontakt:
Dr. Lara Schlaffke
Neurologische Klinik
Universitätsklinikum Bergmannsheil
Phone: +49 234 302 6098
E-Mail: lara.schlaffke@rub.de
PD Dr. Sebastian Ocklenburg
Abteilung Biopsychologie
Fakultät für Psychologie
Ruhr-Universität Bochum
Phone: +49 234 32 24323
E-Mail: sebastian.ocklenburg@rub.de