Langsamkeit sorgt für Struktur im GehirnNeuroinformatiker analysieren Prinzipien für die Selbstorganisation von Nervenzellen

„Slow Feature Analysis“ kann viele experimentelle Befunde erklären

Das Gehirn ist so komplex, dass seine Struktur nicht vollständig genetisch festgelegt sein kann. Neuroinformatiker der Ruhr-Universität Bochum (RUB) ergründen die Mechanismen, mit denen sich die vielen Nervenzellen selbst organisieren. Sie schlagen vor, dass Langsamkeit ein entscheidender Faktor sein könnte. Das Wissenschaftsmagazin der Ruhr-Universität RUBIN berichtet.

Zellen extrahieren Merkmale, die langsam variieren

Seit 1998 entwickelt Prof. Dr. Laurenz Wiskott vom RUB-Institut für Neuroinformatik das Langsamkeitsprinzip kontinuierlich weiter. Es besagt, dass das Gehirn aus den Eingangssignalen Merkmale extrahiert, die sich nur langsam im Lauf der Zeit verändern. Anhand dieser langsam variierenden Merkmale bilden sich die Organisationsstrukturen der Nervenzellen aus. Laurenz Wiskott hat einen Algorithmus konzipiert, mit dem er das Langsamkeitsprinzip in Computersimulationen testen kann. Er trägt den Namen „Slow Feature Analysis“.

Langsamkeitsprinzip kann zum Beispiel Entstehung von Ortszellen erklären

Als Input erhält der Algorithmus Videosequenzen. Er sucht nach Funktionen, die aus den Bildern Merkmale extrahieren, welche sich möglichst langsam verändern. Am Ende der Simulation liefert die Analyse einen Satz unterschiedlicher Funktionen. Jede entspricht einer Zelle mit ganz bestimmten Eigenschaften. Auf diese Weise bringt die „Slow Feature Analysis“ Nervenzellen hervor, die in vielen Experimenten beschrieben wurden. Zum Beispiel können die Neuroinformatiker die Entstehung von Ortszellen erklären, also Nervenzellen, die nur feuern, wenn sich ein Individuum an einer bestimmten Stelle im Raum befindet. Sie wurden experimentell im Hippocampus von Ratten gefunden, einer Hirnstruktur, die unter anderem für die räumliche Navigation zuständig ist. RUB-Doktorand Fabian Schönfeld reproduzierte mit der „Slow Feature Analysis“ kürzlich die Ergebnisse von sechs weiteren physiologischen Experimenten.

Gesichtserkennung mittels „Slow Feature Analysis“

Wiskotts Team erprobt auch ganz andere Bereiche, in denen sich das Langsamkeitsprinzip als nützlich erweisen könnte. Die Forscher trainierten ihren Algorithmus zum Beispiel so, dass er das Alter von Personen anhand eines Fotos schätzen kann, mit einer Genauigkeit von plus/minus 3,7 Jahren.

Ausführlicher Beitrag im Netz

Ein ausführlicher Beitrag inklusive Bildmaterial findet sich im Onlinemagazin RUBIN, dem Wissenschaftsmagazin der RUB: http://rubin.rub.de/de/lieber-langsam-als-genetisch. Text und Bilder aus dem Downloadbereich dürfen unter Angabe des Copyrights für redaktionelle Zwecke frei verwendet werden. Sie möchten über neu erscheinende RUBIN-Beiträge auf dem Laufenden bleiben? Dann abonnieren Sie unseren Newsfeed unter http://rubin.rub.de/feed/rubin-de.rss.