Chemische Prozesse an Synapsen im Fokus:Neue Erkenntnisse zum lebenslang lernenden Gehirn

Neurowissenschaftlerinnen untersuchen Plastizität im Hippocampus

Im Rahmen des DFG geförderten Sonderforschungsbereiches 874 beschäftigen sich Neurowissenschaftler an der RUB mit der Plastizität des Gehirns. Plastizität beschreibt die Fähigkeit des Gehirns, in Abhängigkeit der Benutzung, ein Leben lang zu lernen und sich anzupassen. Auf zellulärer Ebene spricht man auch von synaptischer Plastizität. Dabei erhöht sich die Stärke der Übertragung zwischen zwei Nervenzellen bei viel genutzten Verbindungen und verringert sich bei wenig genutzten Verbindungen. RUB-Forscher haben nun am Tiermodell neue Erkenntnisse darüber gewonnen, welche chemischen Prozesse die Plastizität bestimmter Synapsen im Hippocampus beeinflussen. Ihre Ergebnisse werden in einer Sonderausgabe des Journals „Neuroscience“ veröffentlicht.

Hippocampus besitzt hohes Maß an Plastizität

Als Zentrum für Lernen und Gedächtnis besitzt der Hippocampus, ein Bereich im Schläfenlappen des Gehirns, ein sehr hohes Maß an Plastizität und ist daher von besonderem Interesse für Neurowissenschaftler. Die Reizübertragung im Hippocampus führt wie in einer Kettenreaktion durch verschiedene Bereiche: vom sogenannten entorhinalen Cortex (EC) über den Gyrus Dentatus zu den Corno Ammonis (CA) Regionen 1 und 3. Manche Reize gelangen auch direkt von EC zur CA1 Region. Mit diesem zweiten Weg der Reizübertragung haben sich Dr. Ayla Aksoy-Aksel und Prof. Dr. Denise Manhan-Vaughan näher beschäftigt. Sie haben die dortigen Synapsen, also die kleinen Spalten zwischen den Nervenzellen, genauer untersucht. An Ratten haben sie gemessen, welche Faktoren dazu führen, dass sich die Übertragung an den Synapsen langfristig verstärkt – Neurowissenschaftler sprechen hier von Langzeit-Potenzierung (LTP).

Synapsen weisen Besonderheiten auf

Durch spezielle Verfahren konnten die Wissenschaftlerinnen die Signale der EC-CA1 Synapsen von den Signalen der umliegenden Synapsen isolieren und so wichtige Erkenntnisse über diesen Weg der Reizübertragung gewinnen. Ihre Messungen zeigen, dass sich die EC-CA1 Synapsen in besonderer Weise von anderen im Hippocampus unterscheiden. Viel einfacher als bei anderen Synapsen kommt es hier zur Langzeit-Potenzierung, also der langfristigen Stärkung der Übertragung zwischen zwei Nervenzellen. Auch die Abhängigkeit von speziellen Glutamat Rezeptoren und spannungsabhängigen Kalziumkanälen ist einzigartig im Hippocampus. Beides sind Komponenten, die bei der Weiterleitung von Impulsen von einer Nervenzelle zur nächsten eine wichtige Rolle spielen.

Zellchemie weist auf spezielle Informationsverarbeitung hin

Die Wissenschaftlerinnen vermuten, dass die besonderen chemischen Eigenschaften dieser Synapsen auch mit einer speziellen Rolle in der Informationsverarbeitung zusammenhängen, die sie von Synapsen in anderen Hippocampus-Regionen unterscheiden. Möglich wäre zum Beispiel, dass der niedrige Schwellenwert für LTP dazu dient, eine Sicherheitskopie von Informationen zu erzeugen, die an anderer Stelle im Hippocampus gespeichert werden.