Neurowissenschaftliche Pilotstudie:Elektrostimulation verbessert Sehsinn

Mit einer speziellen Form der Elektrostimulation des Gehirns haben Neurowissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum Lernprozesse im Gehirn erforscht.

Im Journal „Frontiers in Behavioral Neuroscience“ berichten sie über ihre Pilotstudie, mit der sie zeigen konnten, wie elektrische Stimulation die Erregbarkeit bestimmter Gehirnbereiche gezielt verändern und den Sehsinn verbessern kann.

Transkranielle Gleichstromstimulation – in Therapie und Forschung

Die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS für engl. transcranial direct current stimulation) ist ein schmerzfreies, nicht invasives Verfahren, mit dem das Gehirn elektrisch stimuliert werden kann. In vorangegangenen Studien wurde es erfolgreich in der Therapie von Krankheiten eingesetzt, bei denen einzelne Hirnareale beeinträchtigt waren, etwa Schlaganfälle, chronische Schmerzen oder Depressionen. Für die Stimulation werden Elektroden auf der Kopfhaut angebracht, über die ein schwacher Strom fließt, der lediglich ein leichtes Kribbeln verursacht. Auch für neurowissenschaftliche Forscher ist das Verfahren interessant, denn sie können durch die Stimulation gezielt die neuronale Aktivität bestimmter Gehirnareale beeinflussen und untersuchen, welche Auswirkungen das auf Kognition und Wahrnehmung hat.

Team untersucht zum ersten Mal Auswirkung auf das Sehen

Das Forscherteam am Universitätsklinikum Bergmannsheil in Bochum unter der Leitung von Dr. med. Matthias Sczesny-Kaiser und Katharina Beckhaus hat in Zusammenarbeit mit dem Institut für Neuroinformatik der Ruhr-Universität zum ersten Mal untersucht, wie sich die Elektrostimulation des Sehzentrums auf das Sehvermögen auswirkt. In einer Pilotstudie erhielten die Versuchsteilnehmer über vier Tage eine elektrische Stimulation des Sehzentrums, während sie gleichzeitig ihr visuelles Unterscheidungsvermögen unter Beweis stellten.

Doppelblindes Versuchsdesign

Frühere Studien haben gezeigt, dass die Polarität der Stimulation für die Veränderung der neuronalen Aktivität entscheidend ist: die anodale Stimulation verstärkt neuronale Erregbarkeit, während die kathodale neuronale Aktivität unterdrückt. In der Pilotstudie erhielten zehn Probanden eine anodale Stimulation, zehn eine kathodale Stimulation und weitere zehn erhielten eine imitierte Stimulation, die jedoch wie die anderen Verfahren ein schwaches Kribbeln verursachte. Die tDCS wurde automatisiert verabreicht. So wussten weder Versuchsteilnehmer noch Forscher, wer welche Form der Stimulation erhielt. Durch eine solche Doppelblindstudie soll verhindert werden, dass weder Probanden noch Studienleiter die Ergebnisse unbewusst beeinflussen.

Visuelles Lernen positiv beeinflusst

Die Auswertung der Daten zeigte: anodale Stimulation führt zu einer Verbesserung der visuellen Wahrnehmung, während kathodale Stimulation und die simulierte Stimulation bei der Kontrollgruppe keinen Einfluss auf visuelle Lernprozesse hat. „Unsere Pilotstudie hat zum ersten Mal gezeigt, dass anodale transkranielle Gleichstromstimulation einen positiven Einfluss auf das visuelle Lernen hat“, erklärt Dr. Sczesny-Kaiser die Ergebnisse. „Unsere Messungen zeigen auch, dass sich durch das Verfahren die Erregbarkeit des visuellen Zentrums beeinflussen lässt. Wie beide Phänomene jedoch zusammenhängen, müssen wir nun in weiteren Studien und mit neuronalen Bildgebungsverfahren näher untersuchen.“

Kontakt:

Dr. Matthias Sczesny-Kaiser
Neurologische Universitätsklinik und Poliklinik
BG-Universitätsklinikum Bergmannsheil
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 302 -3258
matthias.sczesny-kaiser@rub.de