Bericht aus der Abteilung Biopsychologie:Das Sehsystem der Taube

In einer im Journal „Behavioural Brain Research“ veröffentlichten Studie untersucht Martin Stacho mit Kollegen der Abteilung für Biopsychologie, wie Tauben visuelle Eindrücke verarbeiten. Ihre Ergebnisse geben Einblicke in die Arbeitsweise des Taubengehirns und zeigen funktionelle Gemeinsamkeiten mit Säugetieren. Die Forschungsarbeit entstand im Teilprojekt B5 des Sonderforschungsbereich 874.

Funktionelle Organisation der visuellen Assoziationsfelder im Telencephalon der Taube

Vögel haben erstaunliche visuelle Fähigkeiten und übertreffen damit die allermeisten psychophysiologischen Möglichkeiten des menschlichen Sehsinns. In der vorliegenden Studie haben Forscher der Abteilung Biopsychologie die visuell assoziativen Bereiche des tectofugalen visuellen Systems von Tauben untersucht. Ähnlich wie bei Säugetieren spalten sich die visuellen Verarbeitungswege bei Vögeln auf Ebene des Thalamus und des primären Telencephalon in parallele Stränge für Form/Farbe und für Bewegung auf. Allerdings ist bisher kaum etwas über die funktionelle Organisation dieser telencephalischen Bereiche bekannt, die ihren Input von den primären Sehfeldern des Telencephalons bekommen. Die aktuelle Studie hat daher zwei Ziele: Erstens soll aufgedeckt werden, ob die assoziativen visuellen Felder im Telencephalon während einer visuellen Unterscheidungsaufgabe aktiv sind. Zweitens soll untersucht werden, ob separate Verarbeitungswege für Form/Farbe bzw. für Bewegung eingeschlagen werden. Für die Studie wurden Tauben darauf trainiert, auf einem Bildschirm entweder Form/Farbe oder Bewegung zu unterscheiden. Die Ausprägung des Gens ZENK wurde gemessen, um während der Tests die Aktivität im visuell assoziativen Gehirnbereich zu verfolgen. Tatsächlich zeigten sich während der Unterscheidungsaufgaben im assoziativen Bereich des Telencephalon verschiedene Strukturen mit veränderten Aktivitätsmustern. Jedoch gab es in diesen Strukturen keine Unterscheidung zwischen Form/Farbe und Bewegung. Dass es diese Unterscheidung im Verbindungsbereich Telencephalon/Thalamus, aber nicht im weiteren Verlauf der visuellen Felder gibt, könnte ein Indiz dafür sein, dass beide Stränge relativ früh vereint werden. Das wiederum reduziert den Bedarf an Langstreckenverbindungen, was dem evolutionären Druck in Richtung kleinerer Gehirnstrukturen entspricht.